Im Land von Reis und Curry auf einem Elefantenrücken durch den Dschungel reiten. Geht gar nicht, findet die Autorin und geht trotzdem hin. Über Kuhdunghäuser, Luxussuiten und eine Schweizerin, die den Regenwald aufforstet.

Einfach, aber authentisch, bitte

Was ich erleben will, fragt die Frau am Telefon. – Was weiss ich? «Was man in den Ferien halt so macht: Erholen, Menschen treffen, Viecher beobachten, Kultur erleben, Sterne zählen und gut essen. Und herumreisen.» Ich frag mich, ob sie heimlich die Augen verdreht. Im Kopfkino laufen Bilder von Palmen vor einem kitschig roten Sonnenuntergang. Dann ein Naturpark; blauer Himmel, grüne Hügel, so weit das Auge reicht. Zum Schlafen gehts in eine einfache Lehmhütte mitten im Dschungel. Oder auch mal in eine nette Strandvilla am See mit eigenem Jacuzzi und Butler.

Für die Sinne: Ein quirliges und unvergessliches Erlebnis ist der Besuch eines Marktes. Überall wird gefeilscht, geboten und gehandelt. Am besten gleich rein ins Vergnügen und mitmachen.

Für die Sinne: Ein quirliges und unvergessliches Erlebnis ist der Besuch eines Marktes. Überall wird gefeilscht, geboten und gehandelt. Am besten gleich rein ins Vergnügen und mitmachen.

Zum Innehalten: Buddha ist allgegenwärtig und die vielen Tempel laden zum Eintreten und Kennenlernen der Bräuche ein.

Zum Innehalten: Buddha ist allgegenwärtig und die vielen Tempel laden zum Eintreten und Kennenlernen der Bräuche ein.

Also eine Mischung aus Strand, Städtereise, Rundreise, nicht nur Luxus, nicht nur einfach, aber authentisch, bitteschön. Ich will von allem etwas, aber nicht zu viel von allem. Schliesslich sind Ferien ein rares Gut. Es ist ruhig in der Leitung. Hallo? – «Sri Lanka», sagt sie. – Was? «Sri Lanka, wird Ihnen gefallen.» Stille. Ok, damit hab ich nicht gerechnet. Ich im Land von Reis und Curry? Auf einem Elefantenrücken? Ist ja wohl gar nichts für mich. «Dieses Land hat tausend Gesichter, unbeschreiblich leuchtende Farben, eine Fülle an Sinneseindrücken, Meer, Berge, Dschungel und unglaublich gastfreundliche Menschen», sagt die Frau vom Reiseanbieter mit dem schwebenden Fisch im Logo. Ich überlege.

Der schönste Pool der Welt

Zwei Monate später bin ich da. In einem märchenhaft überwachsenen Designhotel mitten im Dschungel. Wo sich Affe und Adler gute Nacht sagen. Und will nicht mehr weg.

Er ist der Schönste im ganzen Land: Der Pool des Designerhotels Kandalama, gebaut von Stararchitekt Geoffrey Bawa

Er ist der Schönste im ganzen Land: Der Pool des Designerhotels Kandalama, gebaut von Stararchitekt Geoffrey Bawa

Eigentlich ists ein riesiger Kasten aus den 1990-er Jahren. Gebaut hats Sri Lankas bekanntester Architekt Geoffrey Bawa. Ein Kilometer lang. 152 Zimmer, 320 Angestellte. Unvorstellbar, dass so etwas sowohl gediegen wie auch einigermassen umweltfreundlich betrieben werden kann. Doch wer das denkt, kennt Geoffrey Bawa nicht. Seine Bauten sind immer eine Einheit mit der Natur an sorgfältig ausgewählten Orten. Hier in Kandalama hat er die Hotelmauern um einen riesigen Felsen herumgebaut. Die Zimmer sind stilvoll, aber extra nicht riesig, damit die Leute rausgehen, herumlaufen, neugierig werden und das Gelände erkunden. Zum Entdecken gibt es viel. Zum Beispiel den vielleicht schönsten Pool der Welt. Und zwar unübertrieben ohne Hotelprospektblabla. Wer hier eintaucht, dem liegen See und Berge gleichermassen zu Füssen wie der Himmel, mit dem man zu verschmelzen droht.

Wo der Pfeffer wächst

Ein paar Hügelzüge weiter, fernab jeglicher Touristenströme. Dort, wo der Pfeffer wächst. Wo sich mein verstecktes Landkind ausleben kann und die Erholungssüchtige Ruhe wie auch Komfort findet: Hier liegt die «Dschungelfarm» mit dem lieblichen Namen «Naratale Estate». Inmitten von Kokos-, Ananas- und Kautschukplantagen steht die liebevoll restaurierte Kolonialstilvilla. Hier trifft sri-lankische Gastfreundschaft auf Schweizer Wohnqualität. Vor zehn Jahren wanderten die Schweizerin Rita und der Singhalese Rangie Amitirigala von der Schweiz aus, in seine alte Heimat. Amitirigala: So heisst das Dorf, so heisst die Familie, die seit Generationen hier wohnt. Der letzte König himself schenkte dem Urgrossvater einst das Land. Seither heisst das Dorf wie die Familie. Noch heute bietet sie wichtige Arbeitsplätze und unterstützt soziale Infrastrukturen wie das Spital oder die Dorfschule.

Perfekte Gastgeber: die Schweizerin Rita und der Singhalese Rangie Amitirigala von «Naratale Estate».

Perfekte Gastgeber: die Schweizerin Rita und der Singhalese Rangie Amitirigala von «Naratale Estate».

Rita und Rangie Amitirigala sind die perfekten Gastgeber: Herzlich, charmant, nicht aufdringlich und daran interessiert, ihren Gästen Land und Leute näherzubringen. Wer durch die verschiedenen Plantagen läuft, sieht allerhand Exotisches. Die Ananas entsteht aus einer rot leuchtenden Blüte, Kautschuk ist eigentlich ein Harz und Pfefferkörner hängen an länglichen Stauden an einer meterhohen rankenden Kletterpflanze. Für den Tee lohnt es sich, morgens die Teepflückerinnen in die Plantage zu begleiten.

Von Hand abgelesen und schonend getrocknet: Der weisse Tee von der Bioplantage «Naratale Estate»

Von Hand abgelesen und schonend getrocknet: Der weisse Tee von der Bioplantage «Naratale Estate»

Alles Bio, alles zu fairen Löhnen von Hand abgelesen und ohne Zusatzstoffe verarbeitet. Der weisse Tee ist sehr gesund. Dafür werden nur die jungen Knospen verwendet und schonend getrocknet. Sogar der Dünger für die Teepflanzen ist mit einem biodynamischen Verfahren pflanzlich hergestellt, obwohl das extreme Knochenarbeit sei. «Zehnmal einfacher wäre es, mit Chemie Landwirtschaft zu machen », sagt Rita Amitirigala, «doch wir sind beide sehr naturverbunden und es ist uns nicht egal, was auf den Teller kommt.» Betört waren sie. Meine Sinne. Von der Süsse der Ananas, dem vollmundigen Weisstee und den unbeschreiblichen Nuancen an Grüntönen. Besonders stolz sind die beiden auf das Regenwald-Aufforstungsprojekt, das sie auf zwei Hektaren ihres Landes vorantreiben. «Abgeholzt ist so schnell, doch das Aufforsten dauert ewig.» Wer mit Rita in den Dschungel fährt, lernt viel über die Bäume, die vielschichtige Struktur des Ökosystems Regenwald, über die Tiere, ihre Lebensweisen. Aber auch über die Menschen, die sich darum nicht scheren. Die Regenwald abholzen, um Hühnerfarmen zu bauen, die den Boden mit Chemikalien kaputt machen, über hormongespritzte Ananas, die in Europa ahnungslos gegessen werden oder über pseudo Elefantenwaisenprojekte, die Elefantenbabies erst zu Waisen machen. «Die Menschen hier sind anders ‹glismet›», so Rita. Das bestätigt auch Rangie: «Wer mal im Ausland war, schaut sein Land automatisch mit anderen Augen an.» Umso mehr setzen die beiden alles daran, ihre eigene Oase zu gestalten.

Leben mit den locals

Bin ich mal gespannt, was mich erwartet, wenn im Prospekt was von «Live with locals » steht.

Sucht- und Spassfaktor: Currykochen mit Einheimischen in Tamarind Gardens

Sucht- und Spassfaktor: Currykochen mit Einheimischen in Tamarind Gardens

Wer eine Ballenbergimitation erwartet, irrt. Zwar trifft man in Tamarind Gardens auf ganz viel Tradition: Vom Bauernhof bis zur Küche und dem Baustil. Beim sympathischen Gastgeberpaar Ayesha und Nalin trifft sich das halbe Dorf zum Kochen, Kühemelken, Werken und Reden.

«Live with locals»: Der Name ist mehr als nur Programm mit dem sympathischen Gastgeberpaar Ayesha und Nalin, die ihr Herzblutprojekt mit Tamarind Gardens realisiert haben. Sogar der Käse von den hauseigenen Kühen wird in liebevoller Handarbeit selbstgemacht.

«Live with locals»: Der Name ist mehr als nur Programm mit dem sympathischen Gastgeberpaar Ayesha und Nalin, die ihr Herzblutprojekt mit Tamarind Gardens realisiert haben. Sogar der Käse von den hauseigenen Kühen wird in liebevoller Handarbeit selbstgemacht.

Die Gäste leben in einfachen Häuschen aus Kuhdung, Beton und Aludach mit Palmenblättern, eben fast so wie die «locals». Wasser gibts nur kaltes, was bei der tropischen Hitze voll in Ordnung ist. In der typisch sri-lankischen Küche lernt man von den Frauen aus dem Dorf, wie man süchtigmachendes Curry kocht – himmlisch! – und wie man eine Kokosnuss bis auf die Schale aushöhlt. Ich erzähl jetzt nicht, wie ungeschickt ich mich angestellt hab… Der Rundgang durchs Dorf ist ein Erlebnis. Immer wieder kommen Leute aus ihren Häusern, um mit Ayesha zu reden, ihr und ihren Gästen Früchte zu schenken oder um uns in ihre Häuser einzuladen. «Sie sehen mich als wandelnden Wassertank», sagt Ayesha. Mit den Einnahmen aus dem Tourismus hat sie bereits einigen Bewohnern ohne Wasseranschluss einen Wassertank geschenkt. Nach einem solch erlebnisreichen Tag gibts nichts Besseres, als bei atemberaubender Seesicht auf dem Gartensitzplatz zu relaxen, die Soundkulisse einer Dschungelentspannungs-CD gibts gratis dazu.

Oase der Sinne

Oje, ich könnte noch stundenlang über Sri Lankas unzählige Oasen schwärmen. Von den malerischen Tempellandschaften mit den frechen Affen. Oder den Naturparks mit den vielen Dschungelbuchtieren, die man mit etwas Glück und Geduld beobachten kann, wenn man es schafft, nicht mit zu vielen Touris auf einmal mit lauten Jeeps durch den Park zu heizen. Apropos laut: Ein quirliges Erlebnis für die Sinne sind die lokalen Märkte: umtriebiges Gewusel, grelle Farben, eigenartige Gerüche, Marktschreier, die ihre Produkte feilbieten und sich über erstaunte Touristenblicke freuen.

Sri Lanka - eine Oase für Gaumenfreuden

Sri Lanka – eine Oase für Gaumenfreuden

Eine Oase ist auch das Luxushotel, wenn man zwei Tage im Dschungel war. Oder die Stadt Colombo, wenn man vom Land kommt. Oder das Meer, wenn man in den Bergen war. Oder das leckere sri-lankische Essen einer Strassenbeiz, als Abwechslung zur Hotelkost. Am meisten überrascht mich, dies alles so komprimiert auf einer Reise anzutreffen. Das hätte ich keinem Reiseanbieter so zugetraut. Und ich gehöre zum Typ «Ichkanndasimfallselber», wenn ich denn die Zeit dazu hätte. Aber jetzt merke ich grad, wie Sie, liebe Leserin, lieber Leser, die Augen verdrehen…

Zum Seelebaumelnlassen: Sonnenuntergang auf der Veranda der Guest Houses von Tamarind Gardens

Zum Seelebaumelnlassen: Sonnenuntergang auf der Veranda der Guest Houses von Tamarind Gardens

Text und Bilder: Micha Eicher