Die Malediven: das Paradies auf Erden. Weit weg vom Alltag gibts die perfekten Traumferien. Möglich macht das eine Heerschar von Helfern. Sie kochen, gärtnern, sammeln Kokosnüsse und Güsel. Ein Blick hinter die Paradiespforten.

Statt Adam und Eva besiedeln heute Honeymooners und Sonnenhungrige das Paradies. Für ein paar Tage lassen sie sich in die heile Welt der weissen Palmensandstrände katapultieren. Das Paradies: eine von 1196 maledivischen Inseln inmitten des Indischen Ozeans, nehmen wir Veligandu, die «grosse Sandbank». 210 Mitarbeitende umsorgen hier 180 Gäste.

Der Paradiesgärner

Der Garten Eden auf der Insel Veligandu wirkt sehr naturbelassen. Ist er aber nicht. «Gott gestaltete drei Viertel des Paradieses», den Rest mache er, sagt Bandera (43). Sein Beruf: Landschaftsdesigner. Er pflanzt Palmen um, wie andere ihre Zimmerpflanzen, konzipiert die malerisch geschwungenen Sandpfade durch den Garten und setzt farbige Akzente mit Blumen. Selbst in den auf den Malediven üblichen Freiluftbadezimmern ranken die Palmen. «Der Garten trägt viel dazu bei, dass sich die Gäste wohlfühlen», so Bandera. Der Arbeitstag des neunköpfigen Gartenteams startet um vier Uhr in der Früh.

«Wir müssen umdenken»

Kostbare Lieferung im Hafen von Male: Trinkwasser in PET-Flaschen.

Kostbare Lieferung im Hafen von Male: Trinkwasser in PET-Flaschen.

Um diese Zeit kämpft das Paradies noch mit Tücken. Über Nacht hat sich Abfall von der nahen Einheimischeninsel am Sandstrand angesammelt. Auch funkelt schon mal eine farbige Nespressokapsel nahe einer Wasservilla aus dem türkisblauen Wasser. Bis die ersten Gäste erwachen, hat Banderas Team alles beseitigt. Anders auf jenen Inseln, die über keine paradiesischen Aufräumer verfügen. Hier bleibt der Müll an den Stränden liegen oder treibt ins Meer. Veligandu ist da fortschrittlicher: Die biologischen Abfälle kommen in die inseleigene Verbrennungsanlage. Nur die Küchenabfälle landen als Fischfutter im Meer. Fragt sich, wie gut die Meerestiere Bananenschalen und Curry verdauen. Alles Übrige wird getrennt und komprimiert: «Wir mahlen Altglas, pressen PET und Büchsen», sagt Ali Adam (38), Roaming General Manager der Hotelkette. Danach landet alles auf der Güselinsel bei Male. Dorthin verlagert sich auch ein Grossteil der Abfallthematik des Landes. «Hauptproblem ist der viele Plastik.» Er ist überzeugt: «Die Malediven müssen umdenken. Wir importieren Unmengen an PET und werfen ihn dann ungenutzt weg, statt ihn wiederzuverwerten. Hier liegt ein Business brach.» Ein Geschäft für potentielle Investoren. Investiert haben bereits einige Resorts. «In moderne Anlagen, aber auch in die Personalentwicklung», so Ali. Er selbst hat es als einer der weniger Malediver zu einer Kaderfunktion geschafft. In Male gibt es zwar eine Tourismusschule und eine Universität. Das allein reicht nicht für eine Karriere. «Wir Malediver müssen zuerst reisen und Arbeitserfahrung in Europa, den USA oder Asien sammeln. Erst dann wissen wir, was die Gäste hier von uns erwarten.»

Spinnen am Strand

Ferien im Paradies sind in den meisten Köpfen klar definiert: Sonnentanken am türkisfarbenem Wasser, Eintauchen in eine intakte Unterwasserwelt und für die Zeit über Wasser dezenter Luxus. Diese Erwartungen kennt Patricia Zbinden (40) genau. Sie ist Gästebetreuerin von Manta Reisen. Und Vermittlerin zwischen zwei Welten. Zum Beispiel wenn der Paradiesstrand plötzlich voller Spinnen sein soll. «Da musste ich auch schon eine aufgeregte Familie beruhigen und erklären, dass dies keine Spinnen, sondern Krabben sind. Dass die auf die Insel gehören und nichts tun.» Patricia ist geborene Gästebetreuerin: geduldig, auf merksam und an Menschen interessiert. «Es macht mir Spass, wenn die Leute von sich aus umdenken.» So wie diese Familie. Aus der anfänglichen Angst wurde ein Ritual. «Die Kinder haben der Krabbe vor dem Bungalow einen Namen gegeben und ihr jeden Tag vor dem Frühstück guten Morgen gewünscht.»

Downtown im Paradies

Im Zentrum der Resort-Insel pulsiert, was den Inselluxus am Leben erhält: Stromgeneratoren, Wasseraufbereitung und Küche. Auf «Downtown», wie Manik (47), Verantwortlicher der Anlagen, den Personalbereich nennt, entsteht aus Meerwasser sauberes Trinkwasser. «Abgefüllt in wiederverwertbare Glasflaschen sparen wir einiges an PET und Transportwegen.» Besonders clever: Mit dem gereinigten Abwasser bewässern sie den Paradiesgarten. Doch was wär das Paradies ohne Klimaanlage, Jacuzzi und idyllische Beleuchtung? All das braucht Strom. Viel Strom. Dieser stammt von Dieselgeneratoren, die gängige Art auf den Malediven. 2700 Liter Heizöl braucht die Insel pro Tag. Mehr als ein Einfamilienhaus in der Schweiz in einem Jahr zum Heizen. «Wir versuchen, den Verbrauch möglichst gering zu halten», sagt Manik. «Das Heisswasser bereiten wir aus der Abwärme der Generatoren auf.» Und der Boiler der Wäscherei heizt sich mit der restlichen Wärme der gasbetriebenen Küche. Doch sind noch längst nicht alle Hotels auf diesem Standard.

Kokosnüsse und Paradiesäpfel

Sie kochen europäisch, asiatisch oder maledivisch: die 40 Hotelköche auf Veligandu.

Sie kochen europäisch, asiatisch oder maledivisch: die 40 Hotelköche auf Veligandu.

Einem Schlaraffenland gleicht das kulinarische Angebot im Paradies. Vierzig Köche sorgen für das Wohlbefinden der Gäste und Mitarbeitenden. Sie kochen europäisch, asiatisch, maledivisch, indisch und singhalesisch. Die Verführung liegt in der Verfügbarkeit: Die Paradiesäpfel und der Wein stammen aus Australien, die Pasta aus Italien und wer mitten im Indischen Ozean Lachs aus dem fernen Atlantik essen will, kriegt auch das. Es muss so ziemlich alles eingeflogen werden, um die Million Touristen jedes Jahr zufriedenzustellen. Im Paradies wachsen vor allem Früchte in allen Variationen: Papaya, Bananen, Mangos, Passionsfrüchte, Wassermelonen, die scharfen Chili und natürlich Kokosnüsse. «Wo wir können, bevorzugen wir Lieferanten der lokalen Inseln», sagt Chefkoch Lakmal (45). «So beziehen wir wöchentlich 5000 Eier von einer Nachbarinsel und alle zwei Tage liefern lokale Fischer ihren Fang.»

Zwischen Luxus- und Entwicklungsland

Das Paradies hat gelernt, mit den Widersprüchen des Massentourismus umzugehen. Derweil schlängeln wir Touristen zwischen dem Wunsch nach Luxus und unberührter Natur hin und her. «Es sind zwei Welten, die hier aufeinanderprallen», sagt Patricia. «Da ist dieser Wahnsinnsstandard und gleichzeitig herrschen oft Zustände wie in einem Entwicklungsland.» Bewusst wird das den Gästen vielfach erst bei einem medizinischen Notfall, beim Besuch der Hauptstadt oder einer lokalen Insel. «Wichtig ist, dass jeder für sich herausfindet, welchen Teil des Paradieses er erfahren will. Da hilft auch eine gute Beratung, damit man nicht irgendwo landet.» Denn das Paradies hat auf den Malediven viele Facetten. Sich bewusst darauf einzulassen, ist zumindest keine Sünde.

Text und Fotos: Micha Eicher